AVIG-Abstimmung: Grossratspräsident Fischer hält das Volk für dumm

25.08.2010

Gerhard Fischer unterstellt den Gewerkschaften, sie hätten kein Interesse an einer sachlichen Diskussion über die Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (ALV-Gesetz). Zum Abstimmungsslogan «Abzocker belohnen, Volk bestrafen?» meint er: «Mit Polemik soll das Volk gekauft werden.» (http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/105490/) Da es die bürgerlichen Parteien sind, die ihre Parteifinanzen nicht offenlegen wollen, weil sie am Gängelband der Abzocker hängen, mit deren Geld sie das Volk regelmässig zu kaufen versuchen, drängt sich die Frage auf: Für wie dumm hält uns der Grossratspräsident eigentlich? Und glaubt er tatsächlich, die Argumentation der Gewerkschaften als «Polemik» abtun zu können, ohne auch nur mit einem Wort auf sie einzugehen? Die Gewerkschaften machen beispielsweise auf die sonderbare Plafonierung der ALV-Beiträge aufmerksam: In der Schweizer Sozialpolitik ist es üblich, dass auch die höchsten Einkommen Beiträge zahlen – etwa bei der IV oder der AHV. Nicht so aber bei der ALV, denn dort gilt: Je höher der Lohn, desto tiefer der Beitrag. Bis zu einem Einkommen von 126'000 Franken beträgt dieser künftig 2,2 Lohnprozente. Für das Einkommen zwischen 126'000 und 315'000 Franken bezahlt man nur noch 1 Prozent. Und für das Einkommen darüber wird gar kein Abzug mehr gemacht. Daraus ergibt sich: Wer um die 500'000 Franken verdient, zahlt nur halb so viele Lohnprozente wie Normalverdienende. Und auf die Millionensaläre der Boni-Abzocker werden nur noch Beiträge im Promillebereich erhoben. CS-Chef Brady Dougan etwa erhält jährlich 1,98 Millionen Franken geschenkt – Geld, das der Arbeitslosenversicherung zustünde, wenn Dougan – wie die Normalverdienenden auch – 2,2 Lohnprozente an die ALV zu bezahlen hätte. Warum betreiben die Gewerkschaften «Polemik», wenn sie hier von einer unverschämten Belohnung der Abzocker sprechen, Herr Fischer? Weiter gilt es zu bedenken: Die Leistungskürzungen wären nicht notwendig, wenn auch auf Einkommen über 126'000 Franken die vollen Beiträge erhoben würden. Und schliesslich führt der Grossratspräsident das Volk auch an der Nase herum, wenn er von einer «massvollen Sanierung» der ALV durch die Revision spricht: Aufgrund der Leistungskürzungen werden Arbeitslose künftig viel schneller auf Sozialhilfe angewiesen sein. Im Gegensatz zum RAV ist das Sozialamt aber nicht darauf ausgerichtet, bei der Jobsuche zu helfen. Daher sind Leute, die arbeiten können und wollen, bei der Sozialhilfe am falschen Ort – sie gehören in die ALV. Die Gesetzesrevision saniert folglich nicht umfassend, sondern führt zu einer Kostenverlagerung in die Sozialhilfe. Mit einem entschiedenen Nein zur ALV-Vorlage wird das Volk am 26. September zeigen können, dass es keinem Grossratspräsidenten auf den Leim geht, der es für dumm hält.