Offener Brief an Neu-Bundesrat Albert Rösti

04.01.2023

Offener Brief an Neu-Bundesrat Albert Rösti

Sehr geehrter Herr Rösti

Auch von Seiten der JUSO Thun-BeO gratulieren wir Ihnen zur Wahl in den Bundesrat. Eine wichtige Wahl für Sie und zugleich ein wichtiges Departement für die Region Thun und das Berner Oberland. Im UVEK ist es enorm wichtig, eine nachhaltige Politik zu verfolgen, denn die Entscheidungen, die im UVEK gefällt werden, haben grosse Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung. Gerade auch für unsere Region: Daher ist für uns selbstverständlich, Ihre politische Arbeit im Departement genau zu verfolgen und fordern von Ihnen, einige Punkte in Ihren zukünftigen Entscheidungen und Debatten zu berücksichtigen. Da Sie sich ja selber gerne als politischer Vertreter des Berner Oberlands sehen, möchten wir Ihnen aufzeigen, welche Politik im Bereich des UVEK dem Berner Oberland und seinen Menschen wirklich hilft.

Umwelt

Die Klimakrise trifft das Berggebiet besonders schnell und stark. Alpine Lebens- und Naturräume sind fragil und reagieren sensitiv auf klimatische Veränderungen – das ist im Berner Oberland nicht anders. Gerade auch da, wo Sie, Herr Rösti, aufgewachsen sind, in Kandersteg, macht sich die Klimakrise zunehmend stärker bemerkbar. Weil der stetig auftauende Permafrost die Berghänge ins Rutschen bringt, müssen verschiedene – teils stark einschneidende – Schutzmassnahmen vorgenommen werden. Das wohl prominenteste Beispiel sind der Spitze Stein und die entsprechend riesigen Schutzdämme – da, wo einst der schöne Öschiwald lag. Auch im Tourismussektor drohen bekanntlich im ganzen Oberland grosse Schäden und Einbussen; grüne Skipisten führen zu leeren Bergbahnen, leeren Hotels und leeren Restaurants. Eine Politik vom und fürs Berggebiet, vom und fürs Berner Oberland erfordert deshalb zwangsläufig sofortige, griffige und sozial gerechte Massnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise. Damit das Leben hier sicher bleibt und damit sich noch viele Generationen an der schönen Bergwelt erfreuen können.

Verkehr

Auch im Bereich des Verkehrs findet sich Handlungsbedarf: So gibt es gerade im Berner Oberland Strecken, die wenig mit dem ÖV erschlossen sind. Das erfordert oft die Nutzung von motorisierten Privatfahrzeugen. Um die Klimapolitik in den Griff zu bekommen, braucht es einen Wandel. Weg vom Individualverkehr, hin zum öffentlichen Verkehr. Um das möglich zu machen, braucht es Infrastruktur, gerade auch in ländlichen Regionen. Das Berner Oberland darf sich nicht zu einem infrastrukturell armen Teil der Schweiz verkümmern! Sollten im Bereich der Mobilität diese dringlichen Punkte verpasst werden, leiden gerade ältere Menschen darunter. Wer altersbedingt auf das Auto verzichten will, hat keine genügend ausgebaute Alternativen und bleibt unter Umständen eher zuhause. Aber auch junge Menschen erleben das weitläufige Berner Oberland als zu wenig gut erschlossen und ziehen nicht selten aus diesen Gründen in die Ballungszentren und Städte. Wir fordern von Ihnen, politische Entscheidungen zu treffen, die diesem Trend entgegenwirken.

Energie

Wie Sie sicher als ehemaliger Präsident des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands wissen, ist das Potential der Wasserkraft in der Schweiz bereits weitgehend ausgeschöpft. Die momentane Energieknappheit, welche die Preise auf dem Markt rasant steigen liess, zeigt die Notwendigkeit selbst produzierter Energie auf. Eine Lösung dafür ist die Solarenergie, welche - flächendeckend eingesetzt - einen Grossteil der benötigten Energie liefern könnte. Nun ist es aber auch aus Oberländer Perspektive wichtig, dass diese Produktion nicht nur in den Alpen geschieht, wo die Sonnentage durchaus häufiger sind, als in der Stadt, jedoch die Voraussetzungen mit wenig massiven Hüttendächern und Naturschutzgebieten eine zusätzliche Hürde sind. Wie viel einfacher wäre die Installation in Industriegebieten und auf öffentlichen Gebäuden? Statt die Erneuerbare Energie auf die Bergregionen abzuschieben, wie es ihre Partei unterstützt, denken Sie an Ihre Heimat und stehen Sie ein für eine Energiepolitik, welche jene entlastet, welche den Klimawandel bereits spüren.

Kommunikation

Als stolzer Oberländer kennen Sie sicher die Jungfrau Zeitung, und Ihnen ist sicherlich auch bekannt, dass diese seit März 2020 nur noch online erscheint. Diese Entscheidung kann sowohl negativ als auch positiv aufgefasst werden. Tatsache ist jedoch, dass sich die Zeitung aufgrund finanzieller Probleme zu diesem Schritt entscheiden musste. Der Frutigländer hat auch nur knapp überlebt, und das nur dank externer Hilfe. Bei den Lokalmedien ist es des Weiteren so, dass sie ihre Lokalität verlieren. Während wir Weltoffenheit begrüssen, ist es schade, dass eine Zeitung, welche eigentlich dafür gedacht wäre, eine Region über die lokalen Ereignisse zu informieren, vermehrt über schweizweite und internationale Themen berichtet. Die Menschen im Berner Oberland wünschen sich einen diversen, seriösen, unabhängigen und umfangreichen Lokaljournalismus, der als Ergänzung zu nationalen Medien steht. In einer starken Demokratie sind starke Medien unerlässlich und das schliesst natürlich die Lokalmedien mit ein. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie als Bundesrat Ihre Verantwortung gegenüber unseren Medien wahrnehmen und deren tragende Rolle in unserer Demokratie anerkennen und dementsprechend handeln. In der Vergangenheit hat Ihre Partei leider oft das Gegenteil getan und ist der Medienförderung im Weg gestanden. Beispiele wären 2021 das Referendum gegen das Mediengesetz oder die neue SRG-Initiative.

Wir bedanken uns, dass Sie sich für unsere Anliegen Zeit nehmen und wünschen Ihnen bei der Arbeit im Bundesrat alles Gute.

Freundliche Grüsse

Juso Thun Berner Oberland

[email protected]